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    "Maria am Tor"

    "Maria am Tor"

    Die Marienstele ist sehr viel älter als der "Garten der Stille Kupferberg", und wurde wie der Mosaikkreuzweg und die Liobastele von einer Künstlerin des Instituts St. Bonifatius (Else Hildegard Bircks, 1903-1994) geschaffen. Nun steht sie im neuen Garten "am Tor", und lädt dazu ein, sich vielleicht doch noch einmal neu dieser jungen Frau aus dem Volk Israel zu nähern, die – unabhängig von dem, was die spätere Frömmigkeitsgeschichte aus ihr gemacht hat – einfach eine von uns war, eine Frau mit Träumen und Fragen, mit ihrem eigenen Schicksal in einer längst vergangenen Zeit.

    Warum es sich auch heute noch lohnt, sich mit ihr zu befassen (vielleicht auch trotz mancher Skepsis gegenüber gewissen Formen der Marienfrömmigkeit) – nun: Sehen Sie selbst!

    Maria...

    ... jenseits von Traditionen, Verehrung und Goldglanz: eine junge Frau aus einem Kaff am Ende der (römischen) Welt. Ihr Verlobter jobbte, als Montagearbeiter. Hatte Zimmermann gelernt, eigentlich; aber die Nachbarn waren arm, da gab's nichts zu bauen. Also blieb nur bei den Römern malochen, den verhassten Besatzern. Ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld auch kein Brot; was will man machen? Immerhin: jung waren die beiden, Maria und Josef, und voller Vertrauen in die gemeinsame Zukunft. (Und, vielleicht, sehr sehr verliebt...)

    Bis es passierte. Ein ganz normaler Tag war's für Maria: Hausarbeit, Wasserholen, Kochen. Alles wie immer; sie war es gewohnt. Doch dann – konnte sie sehen, was wir Heutigen nicht mehr vermögen? Den Engel, der im Tor stand, oder am Herd? Oder war's nur die Stimme, ein leiser Anruf: Gott ist mit dir?
    Ob sie ihn sah, oder einfach im Herzen verstand, was Gott wollte – die Botschaft blieb, was sie war: unerhört. Maria hatte nichts, nur das Wort: Du wirst empfangen, und: durch den Geist, Gottes Sohn. Und sagt Ja.
    Und wird schwanger. Das Kind wächst heran, in ihrem Körper. Die Angst vor der Zukunft wächst auch. Was wird Josef sagen, wenn er's erfährt, was all die Andern? Sie versteht es ja selbst kaum; unfassbar, unglaublich sind Gott und sein Handeln. Wie soll man das Andern erklären, was man selbst nicht versteht?

    Was Josef gesagt hat, wird nicht überliefert. Nur dies: dass er genau weiß, von ihm ist es nicht. Er könnte sie locker ans Messer liefern, buchstäblich: auf Sex vor der Ehe steht Steinigung! Aber nein – das nicht, er liebt sie ja noch. Nur raus aus der Sache, ein sauberer Schnitt. In Stille sich trennen. Soll sie allein ...
    Auftritt: der Engel. Diesmal im Traum. Nimm Frau und Kind, Josef; sei du der Vater in den Augen der Welt. Und flieh nach Ägypten: das Leben des Kindes – vom ersten Tag an bedroht.

    Der Rest – wird alltäglich: Rückkehr ins Dorf; der Knabe wächst auf, lernt und spielt wie die Andern. War sie versucht, mal ein Machtwort zu sprechen, wenn er ihr zu sehr auf der Nase herumtanzte, wie es die Kinder aller Zeiten so gerne tun? Mit zwölf haut er ab, auf der Wallfahrt; wird nach langem Suchen im Tempel gefunden. Und tut, als wär's das Normalste der Welt... Noch einmal zurück in den Schoß der Familie. Nur um, als Erwachsener, erneut zu gehen, und diesmal für immer.

    Sie hat ihn – ab und zu – noch getroffen. In Nazareth. In Kana. Am See.
    Unterwegs, mit den Jüngern, wirkt er so fremd, und so anders. Aber doch... ja, doch... immer noch ... er ist es, ihr Sohn.

    Sie hätte es wissen müssen. Und wusste es auch: Das, was er tut, kann nicht gutgehn. Der alte Simeon im Tempel hatte es längst prophezeit. Sie aber hatte, wider besseres Wissen, doch immer gehofft noch, dass nicht... Nun ist sie eine von unzähligen Müttern, die zusehen müssen – ohnmächtig, hilflos – wie das Kind ihnen stirbt. Ob sie geahnt hat, dass sein Tod nicht der Schluss war? Wir wissen es nicht. Sie ist jedenfalls bis zum Kreuz mitgegangen; und als an Pfingsten der Geist kam, war sie auch wieder da.

    Sie ist sich, ihrem Ruf, Gott treu geblieben; hat Ja gesagt, mutig und immer neu: Ja.
    An ihr kann man sehen, wie Leben mit Gott geht: ganz einfach, alltäglich. Wie Glauben an Gott geht: Schritt für Schritt. Sie kennt die Not von Eltern um ihre Kinder. Das stärkt, wenn man die Eigenen nicht mehr versteht. Vielleicht ist sie den Großteil ihres Weges alleine gegangen (das Schicksal von Josef verliert sich im Dunkel). Das tröstet, wenn Beziehungen wanken und scheitern. Sie hat ihren Sohn bis zum Ende begleitet. Das gibt Mut, wenn es bei uns nicht mehr weitergeht.

    Ein Bild von ihr, mit dem Kind, steht nun hier, am Tor dieses Gartens, am Tor unserer Wege. Möge sie auch uns liebend nachschauen, wohin auch immer wir gehn.