
"42 Boote": Installation von Anja Kracht
Kunst...
Anja Kracht schreibt über ihre Installation:
Stille
Innere und äußere Stille
Stille
Die Abwesenheit von Geräuschen
Stille
Wenn die Spur, die das Boot im Meer hinterlässt, sich ins Nichts auflöst
Stille
Wenn man am Meer steht und die Boote am Horizont vorbeigleiten sieht
Stille
Wenn ein Boot im Meer versinkt und alles mit sich nimmt
Stille
Beim Abschied, wenn man am Ufer zurückbleibt
Stille
In der Nacht, wenn das Meer schwarz ist
Stille
Wenn nichts als Meer umgibt
Stille
Nichts mehr hören, eintauchen in einen Schwarm sanft wogender Boote.
42 Boote
als ein Sinnbild, das Gegensätze vereint und Assoziationen freien Lauf lässt.

... Bibel...
Es könnte romantisch sein: Nacht, Sterne, nichts als die Weite der See um einen herum, tiefe Stille. Aber zugleich ist die Stimmung, die die Vorstellung von Booten auf dem Meer erzeugt, ebenso ein wenig melancholisch: die unauslotbare Ferne, die Spurlosigkeit, der Beiklang von Trennung und Gefahr... Und das seit je her, vor Jahrtausenden ebenso wie heute, bis hinein in die brutale Realität versinkender Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer.
Da lag es schon in biblischer Zeit nahe, das Boot als Symbol für unser menschliches Leben zu sehen, wie es z.B. auch das eher unbekannte „Buch der Weisheit" tut. Denn es scheint, als ob nichts Beständigkeit hat im Leben, dass alles vorbeizieht, „[w]ie ein Schiff, das durch die wogende Flut fährt: Ist es hindurchgefahren, ist von ihm keine Spur mehr zu finden, kein Pfad seines Kiels in den Wogen."1 Ungewohnt verhalten, ja pessimistisch präsentiert sich dieses Buch bisweilen in seinem Nachsinnen über Gut und Böse, das Leben und über den Sinn menschlicher Existenz. Und es wirkt dabei erstaunlich nah an dem, was wir auch heute erleben: es regiert das Recht des Stärkeren, und jede*r versucht, das Leben möglichst in vollen Zügen zu genießen.
Aber irgendwo ist sie dann doch, und taucht auf, wenn man sie am wenigsten vermutet: die Frage, was denn bleibt von (meinem) Leben? Das Buch der Weisheit versucht sie zu beantworten mit dem Streben nach der „Weisheit", die von Gott kommt, die uns das Gute tun und die Schönheit der Welt entdecken und verstehen lässt – und ist auch hierin uns Heutigen erstaunlich nah: wer lebt, und erst recht, wer ein Leben aus dem Glauben führen will, kommt an den Realitäten dieser irdischen Welt mit ihren Wundern und Tragödien nicht vorbei. Wir Menschen können nicht anders: wir müssen versuchen, das was uns umgibt, zu verstehen.
Uns Heutigen mag vielleicht fremd sein, wie das Buch der Weisheit anschließend versucht, in allem das Wirken Gottes zu sehen, von der Natur über die Geschichte bis hin zu den Ereignissen eines individuellen Lebens. Aber diese Deutung fasziniert auch. Weil sie dem manchmal so Unerklärlichen in und um uns eine Tiefenperspektive, ja einen Sinn verleiht.
... und: Science Fiction!
Fans von Douglas Adams "Per Anhalter durch die Galaxis" sind bei dieser Installation klar im Vorteil und werden die Anspielung sofort erkannt haben – aber auch allen anderen wollten wir diese augenzwinkernde Assoziation zum Titel der Installation „42 Boote" nicht vorenthalten! „42" ist in diesem Science-Fiction-Roman mit Kultstatus nämlich die Antwort des Supercomputers auf „alles": auf die ultimative Frage nach dem (Sinn von) Leben, Universum und dem ganzen Rest. 42 Boote also, die etwas von „allem" enthalten, was „Sinn" bedeuten kann? Hoffnung. Sehnsucht. Vertrauen. Ruhe. Und den Tod. Weil vielleicht er es ist, der uns nach dem Sinn fragen lässt. Weil er alles andere so kostbar macht. Weil er die letzte Stille ist. Und weil diese Stille – so hoffen wir – nicht leer ist, sondern ewiges Angekommen-Sein für das Boot unserer Lebensreise. Geborgenheit. Gott.
Und wer weiß? Vielleicht ist Er ja doch der sanfte Wind, der unser Lebensboot bewegt und vorantreibt. Und ans Ziel kommen lässt.
Bibeltext: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart.
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